Frechen (Nordrhein-Westfalen)

Jüdische Gemeinde - Brühl (Nordrhein-Westfalen)Bildergebnis für Frechen Frechen ist eine derzeit ca. 53.000 Einwohner zählende Stadt im Rheinischen Braunkohlerevier des Rhein-Erft-Kreis - westlich an Köln angrenzend (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Frechen, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Rhein-Erft-Kreis', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste Belege jüdischen Lebens in und um Frechen stammen aus dem 14. und 15.Jahrhundert; allerdings siedelten sich damals vermutlich Juden noch nicht dauerhaft an. Erst im Laufe des 18.Jahrhunderts bildete sich hier eine jüdische Gemeinde, die sich in napoleonischer Zeit zur größten zwischen Aachen und Köln entwickelte. Zu Frechen - dem Mittelpunkt des Synagogenbezirks - gehörten zunächst auch die Juden der Bürgermeistereien Brühl, Effersen, Freimersdorf, Grefrath, Großkönigsdorf, Hürth, Lövenich, Pulheim, Stommeln und Worringen; doch das Streben nach Selbstständigkeit führte alsbald dazu, dass sich in den meisten Ortschaften autonome israelitische Gemeinden bildeten; lediglich Grefrath und Großkönigsdorf verblieben in der Frechener Synagogengemeinde. Die erste Betraum befand sich in einem Privathaus in der „Judengasse“, der heutigen Josefstraße. - Der zweite Synagogenbau in Frechen - eine Hinterhaussynagoge - stammte aus dem Jahre 1803/1804; ohne direkten Zugang von der Hauptstraße konnte der Betraum nur durch das von einer jüdischen Familie bewohnte Vorderhaus betreten werden. Von der Errichtung eines Neubaus musste die Gemeinde in den Folgejahrzehnten Abstand nehmen, da die finanziellen Mittel nicht aufgebracht werden konnten; deshalb begnügte man sich 1873 mit einer Totalrenovierung der alten, baufälligen Hinterhaussynagoge.

              Ehem. Synagogengebäude kurz vor dem Abriss (Aufn. Heeg, 1967)

In Frechen gab es auch eine kleine jüdische Schule, die ebenfalls in einem Hinterhausgebäude untergebracht war; als die Schülerzahl zurückging, wurde die Schule 1872 geschlossen; die jüdischen Schüler besuchten anschließend die katholische Schule am Ort.

Ein eigener Begräbnisplatz bestand offiziell seit Beginn des 19.Jahrhunderts; doch bereits in den Jahrzehnten zuvor waren hier am „Judenbroich“, der heutigen Dr.Schultz-Straße, verstorbene Juden beerdigt worden. Als in den 1870er Jahren der Friedhof einem Braunkohlentagebau weichen sollte, konnte sich die jüdische Gemeinde erfolgreich gegen dessen Auflassung zur Wehr setzen.

Juden in Frechen:

        --- um 1800 .................... ca.   70 Juden (in 16 Familien)

--- 1848 ...........................  184   “  ,

    --- 1857 ....................... ca.  200   “  ,*       * incl. Grefrath und Großkönigsdorf

    --- 1885 ...........................  144   “  ,*

    --- 1933 ...........................  106   “  ,**     ** andere Angabe: 90 Pers.

    --- 1941 (Dez.) ....................  keine.

Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Reg.bez. Köln, S. 191

 

Bevorzugtes Wohngebiet der Frechener Juden war um 1900 die Hauptstraße, hier befanden sich auch ihre Geschäfte, so z.B. die Manufakturwarenhandlung Isaak Voos ("Kaufhausd Voos") und das Schuhgeschäft Samuel. Das „Bekleidungshaus Moritz Meyer“ gehörte zu den größten Ladengeschäften der Kleinstadt; dessen Besitzer war auch Teilhaber an zwei Textilfabriken in Mönchengladbach und in Belgien. Zu Beginn der 1930er Jahre lebten ca. 100 Juden im Ort; sie waren damals weitestgehend in die kleinstädtische Gesellschaft integriert.

Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 setzten in Frechen offen die Verfolgungen gegen NS-Gegner ein; unter Leitung der beiden Frechener Naziführer Heinrich Loevenich und Reiner Stumpf wurden hiesige Juden unter oft fadenscheinigen Begründungen verhaftet.

Während des Novemberpogroms wurde auch die Frechener Synagoge verwüstet; für die Zerstörung der Inneneinrichtung waren SA-Männer und Angestellte eines lokalen Bergbaubetriebes verantwortlich. Eine Brandlegung unterblieb wegen der in unmittelbarer Nähe sich befindlichen Gebäude, die in „arischem“ Besitz waren. Das Synagogengebäude wurde anschließend an einen Privatmann verkauft, der es für gewerbliche Zwecke nutzte. Auch der jüdische Friedhof blieb von Schändungen nicht verschont. Während der Novembertage wurden auch jüdische Geschäfte und Wohnungen demoliert. Nach dem Pogrom verließen mehr als 40 jüdische Bewohner den Ort und verzogen meist nach Köln; dort waren sie zumeist in sog. "Judenhäusern" untergebracht. Die letzte jüdische Einwohnerin verließ Frechen im Jahre 1941. Direkt von Frechen erfolgten keine Deportationen.

 

Wenige Jahre nach Kriegsende wurde der stark beschädigte jüdische Friedhof notdürftig wieder instandgesetzt; doch erst Mitte der 1980er Jahre war er wieder vorzeigbar. Hier ließ die Stadt Frechen 1993/1994 ein Mahnmal zum Gedenken „an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger Frechens” errichten, „die wegen des Nazi-Terrors hier nicht ihre letzte Ruhestätte finden durften“.


Jüdischer Friedhof Frechen (Aufn. Tohma, 2015, aus: wikipedia.org, GFDL)

Das einstige Synagogengebäude wurde um 1970 abgerissen; 1988 stellte man eine Gedenkplatte auf einem Betonsockel auf, die an die einstige Synagoge erinnern soll. Eine in der Nähe verlaufende Straße erhielt die Bezeichnung „An der Synagoge”. 

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Synagogengedenkstein in der Hauptstraße (Aufn. Walter Kirch und aus: paul-kraemer.schule.de)

Das ehemalige Eingangsportal ist das Herzstück der neuen Stadtarchiv-Dauerausstellung zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Frechen. Bei der Tür handelt es sich um die Originaltür der 1803 eröffneten Frechener Synagoge, die nach der Verwüstung in der Reichskristallnacht am 9. November 1938 lange Zeit als Lagerraum, Werkstatt und Wohneinheit genutzt und am 15. März 1967 abgerissen wurde.   

                                             „Kleines Heiligtum“ – Mahnmalinstallation (Aufn. Rosenbaum)

In den Gehwegen Frechens erinnern zahlreiche sog. "Stolpersteine" an Opfer der NS-Gewaltherrschaft; die ersten neun wurden 2009 in der Frechener Fußgängerzone verlegt; noch im gleichen Jahr kamen weitere 22 Steine hinzu. Derzeit findet man insgesamt ca. 55 dieser quadratischen messingfarbenen Gedenktäfelchen (Stand 2023).

 

 

 

                 Weitere Informationen:

Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ...", Band 12, Verlag L.Schwann, Düsseldorf 1972, S. 72 - 75

Karl Göbels, Frechen - damals. Von der Römerzeit zur Stadtwerdung. Ein heimatgeschichtliches Lesebuch, Köln 1977, S. 219

Egon Heeg, Der Frechener Judenfriedhof - Denkmal und Mahnmal zugleich, in: "Lebendiges Frechen", Heft4/Dez.1988, S. 8 f.

Egon Heeg/Helmut Weingarten, Der Judenfriedhof in Frechen - Dokumentation, Frechen 1987/1988

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 191 - 195

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 in Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 171/172

Egon Heeg, Die Levys oder die Vernichtung des Altfrechener Judentums, Band 2: Gedenkbuch, Frechen 2002

Suzanne Zittartz-Weber, Zwischen Religion und Staat. Die jüdischen Gemeinden in der preußischen Rheinprovinz 1815 - 1871, in: "Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens", Band 64, Klartext-Verlag, Essen 2003, S. 372 f.

Günther Kraushaar, Wenn alles in Scherben fällt. Nationalsozialismus, Krieg und Zusammenbruch in Frechen, in: "Veröffentlichungen des Frechener Geschichtsvereins e.V.", Heft 2, Frechen 2005

Rücksichtlose Hitler-Helfer, in: „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 27.4.2010

Egon Heeg, Die Levys oder die Vernichtung des Altfrechener Judentums, Frechen 2010

Verlegeorte der Stolpersteine in Frechen, online abrufbar unter: frechener-geschichtsverein.de (mit Abbildungen)

Stolpersteine Frechen, in: Gedenk- u. Erinnerungsorte Rhein-Erft-Kreis, online abrufbar unter: gedenkorte-rheinerft.de/gedenkorte/uebersicht/stolpersteine-frechen/ (Anm. mit Namensnennungen und Verlegestandorte)

Martin Bock, Opfer des Nationalsozialismus in Frechen, hrg. vom Frechener Geschichtsverein e.V., Febr. 2021